BADISCHE LANDESBüHNE
von Karen Köhler
Inszenierung Joerg Bitterich
Ausstattung Silvio Motta
Chorleitung Hannes Holz
mit Lisa Bräuniger, Julia Kemp, Frederik Kiesel, Norhild Reineck, Tim Tegtmeier, Markus Wilharm
Premiere: 24. September 2016
Uraufführung
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Sex und Sexualität sind schon immer brandheiße Themen für junge Menschen gewesen. Was aber ändert sich im Zeitalter von Smartphone und Internet? Taugt ein Porno aus dem Netz als Ratgeber für das erste Mal? Ist ein Nackt-Selfie als Liebesbotschaft eine gute Idee? Drei Schauspielerinnen und drei Schauspieler erzählen die Geschichte zweier Teenager, von Dennis und Charlotte – oder ER und SIE; von der ersten Begegnung, von Freundschaftsanfragen im Netz, dem ersten Kuss, den Schmetterlingen im Bauch, dem Warten auf das „Pingping“ der Smartphones und dem ersten Sex. Doch nicht alle Beteiligten fühlen sich wohl dabei. Ein ES verschafft sich Gehör und stellt Heterosexualität als Norm in Frage.
Karen Köhler wurde 2014 für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert und hat mit ER. SIE. ES. eigens ein Stück für die Badische Landesbühne geschrieben.
Das Projekt hat das Stipendium des Arbeitskreises Kinder- und Jugendtheater gewonnen und wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Landes Baden-Württemberg unterstützt.
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di Karen Köhler
Regia Jörg Bitterich
Scena e costumi Silvio Motta
Sicuramente l’era digitale e la massiccia diffusione di smartphone e social network anche in tenera età hanno contribuito ad un netto cambiamento dei rapporti personali, affettivi e sentimentali dei teenager.
In Germania i principali utilizzatori della pornografia digitale sono ragazzini tra gli undici e i quindici anni; attraverso la rete è possibile diventare amici, in senso più o meno figurato, di persone che mai si sono incontrate e mai si incontreranno, e di cui talvolta ci si innamora.
Tre attrici e tre attori raccontano la storia di due teenagers, Dennis e Charlotte – oppure ER (Lui) e SIE (Lei) – del loro primo incontro, della richiesta di amicizia in rete, del primo bacio, delle farfalle nello stomaco e dell’attesa del trillo del cellulare. ES sta per il tema della sessualità, dagli aspetti più innocenti e pudici, legati all’innamoramento di due adolescenti, fino alla parte più ancestrale e animalesca della libido.
Il coro maschile e quello femminile, oltre a impersonare i due protagonisti, durante la storia si mescolano e danno voce ai sentimenti e ai dubbi dei ragazzi, analizzando i singoli aspetti e le varie sfaccettature dell’ES.
In particolare, l’autrice si sofferma sul linguaggio: come parlano le ragazzine dei maschi e dell’ES? Come parlano i ragazzi, invece? Come cambiano i toni e la scelte delle parole quando si interfacciano le une con gli altri?
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„Wenn isch dein Babo wär, Zeit, isch schwör, ich würde dir die Fresse polieren, ich würd alle deine Passwörter sperren, dein WLAN blockieren … Zeit, du blöde Sau, dann wüsstest du, dass YOLO nicht meint, lass dir ordentlich Zeit, dann – Fuck.“ – So klingt es, wenn SIE das nächste Treffen mit IHM kaum erwarten kann. „Babo“ bedeutet „Boss“ und YOLO steht für „You Only Live Once“ – man lebt nur einmal. Die Autorin Karen Köhler, Jahrgang 1974, hat Jugendlichen genau zugehört, bevor sie das Stück „ER. SIE. ES.“ geschrieben hat. Außerdem hat sie nach eigenen Angaben viel online recherchiert – und „natürlich sehr viele Pornos geguckt“.
Das erste Mal
Karen Köhler: ER.SIE.ES.
Premiere: 24.09.2016 (Uraufführung)
Badische Landesbühne Bruchsal
Verändert sich im Zeitalter des Smartphone und des Internet die erste Begegnung zwischen den Geschlechtern? Wie geht die „Generation Porno“ mit ihren Bildern um, wenn sie in einen wirklichen Kontext gestellt werden? Wird überhaupt noch ein Unterschied zwischen Virtualität und Realität erfahren? Diese und andere Fragen untersucht Karen Köhler in ihrer Auftragsarbeit „ER.SIE.ES.“ für die Badische Landesbühne. Um es vorwegzunehmen, auch, wenn „Likes“ und gepostete intime Fotos die erste Begegnung begleiten, so viel hat sich an den emotionalen Ängsten und Eitelkeiten denn doch nicht über die Generationen verändert. So könnte man die Geschichte von Dennis und Charlotte als banal bezeichnen, eine Alltagsgeschichte eben, wenn nicht Karen Köhler mit einer sympathischen Wärme von ihren Figuren erzählen würde. Mehr noch ermöglicht ein dramaturgischer Trick eine Verfremdung, die weit über die subjektiven Befindlichkeiten von Dennis und Charlotte hinaus weist. Jede der beiden Akteure wird von je drei Männern und drei Frauen gespielt. Darüber hinaus werden sie chorisch gesprochen, eine Form, die noch nicht oft in den jungen Theatern der Republik anzutreffen ist.
In seiner Uraufführungsinszenierung an der Badischen Landesbühne nimmt Joerg Bitterich die Steilvorlage von Karen Köhler an und entwickelt mit seinem spielfreudigen Ensembles ein starkes chorisches und choreografisches Theater. Silvio Motta hat dazu einen nur durch verschiedene Podeste gestalteten Raum geschaffen, bis auf eines alle in Weiß, nur eines strahlt in einem tiefen Rot. Darüber hinaus steht hinten rechts eine Lichtsäule. Die Grundkostüme sind in Schwarz gehalten. Die Männer tragen schwarze Röcke und graue Kapuzenwesten, die Frauengeschwungene Röcke und haben über die Schultern weinrote Tücher geschwungen. Man agiert jeweils als gemeinsame Gruppe durch den Raum, in genauen Schrittmustern. Das chorische Sprechen (Chorleitung: Hennes Holz) gelingt bestens. Lisa Bräuniger, Julia Kemp und Norhild Reinicke als Charlotte, wie auch Frederik Kienle, Tim Tegtmeier und Markus Wilharm als Dennis gelingt es, jeweils im Kollektiv zu verschwinden und zugleich ihrer Figur ganz individuelle Züge zu geben. Dadurch entsteht auch eine Leichtigkeit, die Platz macht für leise komische Situationen, die das Publikum sichtlich genießt.
Nun findet sich schon im Text von Karen Köhler nach der ersten wirklichen sexuellen Begegnung ein Bruch, als sie das Prinzip des Kollektivs aufbricht und jeweils eine Figur heraushebt, die entdeckt, dass sie kein Sie, bzw. Er ist, sondern ein Es und die Autorin jeweils eine von den drei Figuren dem anderen Geschlecht zuordnet. Weil die Botschaft wichtig für junge Menschen, aber doch zugleich überdeutlich ist, wirkt das am Ende ein wenig moralisch. Joerg Bitterich treibt diesen Bruch voran, als er zunächst alle Spieler durcheinander sprechen lässt, bis es mir als Zuschauer weh tut, weil auch nur einzelne Worte zu verstehen sind. Anschließend lässt er die Kleider tauschen, die Mädchen spielen Jungs und umgekehrt. Die Inszenierung wird da noch deutlicher als der Text. Das ist schade, denn es macht einen ungeheuren Spaß, diesen Bruchsaler Schauspielern zuzuschauen. Und das Stück von Karen Köhler wird seinen Weg machen.